Bereits im September 2020 starteten wir ein Ganztagsangebot zum Thema Nationalsozialismus am Herder Gymnasium Pirna. Im Rahmen dessen entschieden sich die teilnehmenden Schülerinnen einen Stolperstein zu verlegen. Dabei scheuten sie nicht die Dauer der gesamten Organisation, die bis Anfang 2023 andauerte. Der Mut, die Geduld und das Engagement, den die Schülerinnen mehr als zwei Jahre lang bewiesen haben, macht uns dabei besonders stolz. Die Schülerinnen organisierten eigenständig die notwendigen Schritte: sowohl die Recherche über die Opfer, ihre Angehörigen, ebenso wie die persönliche Antragsvorstellung im Juli 2022 beim Stadtrat Heidenau bis hin zur Vorstellung der Familiengeschichte bei der Verlegung selbst. Zu sehen, wie die vier messingfarbenen Steine am 19.02. vom Künstler Gunter Demnig persönlich verlegt wurden, bildete damit den krönenden Abschluss des Projekts.
„Erst durch das Projekt haben wir uns intensiver mit der Geschichte unserer Region auseinandergesetzt. In der Schule lernt man zwar auch viel über den Nationalsozialismus aber erst in der AG haben wir konkret auf unsere Umgebung geschaut und uns mit den Familien beschäftigt, die damals hier gelebt haben. Das hat mich schon sehr bewegt. Und jetzt zu sehen, wie schön die Steine hier aussehen, ist wirklich toll.“, so eine Schülerin der AG nach der Verlegung.
Zweijähriges Schülerinnenprojekt erfolgreich: Stolpersteine in Heidenau verlegt
Nach zwei Jahren Eigeninitiative von Schülerinnen des Herder Gymnasiums Pirna, konnten am 19.02.2023 erfolgreich vier Stolpersteine in Heidenau verlegt werden. Die Verlegung wurde durch den Künstler Gunter Demnig auf der Bahnhofstraße 10 persönlich durchgeführt und wurde von etwa 20 Zuschauenden besucht.
Ein Highlight der Veranstaltung war außerdem ein kürzlich zugestellter Brief einer Zeitzeugin, vorgelesen durch den Bürgermeister Heidenaus, Herrn Opitz. Diese hatte von der Veranstaltung gelesen und im Brief von ihren Begegnungen mit einem der Betroffenen, Maximilian Reiner, berichtet.
Die Veranstaltung wurde außerdem von etwa 20 Zuschauenden besucht.
Das Schicksal der Familie Reiner
Bis zu ihrer Verfolgung und Ausgrenzung durch das NS-Regime war Maximilian Reiner gemeinsam mit seiner Ehefrau Inhaber des Kaufhauses Heidenau auf der Bahnhofstraße 10. Er eröffnete es Anfang 1914. Es war seinerzeit das größte und einzige Kaufhaus in der Region.
Trotz des Nazi-Boykotts hielt Maximilian Reiner bis 1938 zum Pogrom durch und wurde am 11. November 1938 verhaftet und nach Dresden gebracht. Obwohl er nach wenigen Tagen freigelassen wurde, musste er das Kaufhaus zwangsverkaufen. Mit seiner Ehefrau zog er nach Berlin, wo Maximilian Reiner Zwangsarbeit leisten musste und das Ehepaar mehreren Drangsalierungen ausgesetzt war. Dies zerrüttete auch seine Ehe, sodass sich seine Ehefrau unter zunehmendem Druck von ihm scheiden ließ. Er kam in ein so genanntes Judenhaus, von wo aus er am 07. Januar 1944 in das Getto Theresienstadt deportiert wurde.
Er überlebte das Getto und kehrte nach der Befreiung und zeitweisen Quarantäne zurück nach Heidenau. Er entschloss sich, in die USA auszuwandern, um dort seinen Sohn zu treffen, der bereits 1938 nach Shanghai geflohen war und ebenfalls in die USA übersiedeln wollte. Doch Maximilian Reiner verstarb 1947 nach seiner Ankunft, ohne seinen Sohn und seine Enkel wieder gesehen zu haben.
Mit den Stolpersteinen wird Maximilian Reiner, seiner Ehefrau Elsa Emmÿ Reiner und seinen Kindern Horst Wilhelm Reiner sowie Käthe Reiner, verh. Mickwausch, gedacht.
Die gesamte Familiengeschichte kann hier nachgelesen werden.
Bei der Organisation vor Ort und in Absprache mit der Stadt Heidenau waren wir als Unterstützer aktiv und möchten uns bei allen weiteren Unterstützer:innen bedanken, die diese Verlegung möglich gemacht haben. Die Stolpersteine werden durch Spenden finanziert.
Weitere Informationen zum Stolperstein-Projekt erhalten Sie hier.
Für Rückfragen steht Ihnen gern unsere Kollegin Julia Miller zur Verfügung.