Anfang Oktober haben wir in unserer vorerst letzten, bilingualen Debatte die tschechische Ratspräsidentschaft und die damit einhergehenden Herausforderungen betrachtet. Zusammen mit drei Expert:innen können wir auf einen spannenden Debattenabend zurückblicken.
Welche Funktion übernimmt der Rat der EU?
Katharina Wolf, Vorsitzende der Europa-Union Sachsen, hat mit einem Input über den Rat der Europäischen Union den Abend eingeläutet. Dabei erklärte sie das europäische Gesetzgebungsverfahren und die Aufgaben der beteiligten Institutionen. Wichtig zu unterscheiden sind dabei der Europäische Rat (zusammengesetzt aus den Staats- und Regierungschef:innen) sowie der Rat der Europäischen Union (zusammengesetzt aus den jeweiligen Fachminister:innen). Letzterer übernimmt eine aktive Rolle beim Gesetzgebungsprozess. Der Vorsitz des Rates wechselt alle 6 Monate, wobei eine gemeinsame Triopräsidentschaft bestehend aus drei EU-Mitgliedstaaten über eineinhalb Jahre geplant ist.
Ziele und Motto der tschechischen Ratspräsidentschaft
Ivo Vacík, Referent für Europa und Internationales der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, erläuterte die Prioritäten der tschechischen Ratspräsidentschaft. Die Tschechische Republik sehe Europa als Aufgabe: Flüchtlingsströme sollen gemeistert und der Ukraine geholfen werden. Ferner müsse Energiesicherheit geschaffen und die EU-Wirtschaft unabhängiger von demokratiefeindlichen und instabilen Staaten werden. Außerdem müssen demokratische Institutionen Stärkung erfahren und europäische Werte offline sowie online vertreten werden. Wichtig hervorzuheben sei auch die Distanzierung zu den Regierungen von Polen und Ungarn, welche wesentlich EU-kritischer seien als die Tschechische Republik.
Inwieweit können diese Ziele durchgesetzt werden?
Die Ratspräsidentschaft beträgt lediglich 6 Monate. Dr. Thomáš Weiss, Leiter des Lehrstuhls für Europäische Studien der Karlsuniversität in Prag, sieht in der Präsidentschaft allem voran eine bürokratische Funktion. Verhandlungen können zwar unter einer gewissen Maßgabe gesteuert, aber nicht initiiert werden. Die gesetzten Prioritäten seien unter diesem Gesichtspunkt eher eine PR-Maßnahme auf der außen- und innenpolitischen Ebene. Dennoch sei sie wichtig, um bedeutende Signale zu setzen. Die Tschechische Republik sehe sich als eine ehrliche Vermittlerin, die neben nationalen Interessen auch europäische durchsetzen möchte, quasi eine "Ehevermittlerin im Europäischen Bund", so Dr. Weiss.
Wie kann die EU trotz zahlreicher Herausforderungen gestärkt werden?
Die Ratspräsidentschaft steht im Zeichen des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine. Insbesondere Polen, Ungarn und die Tschechische Republik haben viele Geflüchtete aufgenommen, die es zu versorgen gilt. Weiter steige der Nationalismus innerhalb der EU-Staaten, wie zuletzt die Wahl in Italien gezeigt habe. Und neben der Energiekrise dürfe auch die Klimakrise nicht vergessen werden. Doch wie kann die EU wieder Menschen für sich begeistern?
Alle Anwesenden sind sich einig: Es brauche mehr grenzübergreifende und mehrsprachige Dialoge, die alle Interessierten an einen Tisch bringen. Außerdem müsse das Konstrukt der EU sowie dessen Vergangenheit und Werte immer wieder erklärt und begreifbar gemacht werden. Ein ganz konkreter Punkt seien zudem aktiv gelebte Städtepartnerschaften, so wie es im Ratspräsidentschaftsprogramm enthalten ist.
Weitere Informationen und Kontakt für Rückfragen
Wenn Sie sich für unser deutsch-tschechisches Dialogformat interessieren oder Fragen haben, können Sie sich gerne an Bildungsreferentin Markéta Knoppik unter m.knoppik@aktion-zivilcourage.de wenden.
Die deutsch-tschechischen Nachbarschaftsgespräche sind ein Gemeinschaftsprojekt der Aktion Zivilcourage e. V. und der Euroregion Elbe/Labe. Das Projekt wird durch die Europäische Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert.