Im dritten Teil der Fachtagsreihe "Einleben im Landkreis" haben wir am 12.09.2020 einen Blick auf die vielfältige Vereinslandschaft und deren Chancen für Integration im ländlichen Raum geworfen. Mit Maske und Abstand kamen 50 Teilnehmer*innen in Königstein zu einem breit gefächerten Programm zusammen: Workshops, Impulsreferate, interaktives Theater, ein Kinderzirkus und viel frische Luft sorgten für Abwechslung.
Ziel dieses Fachtages war es, Akteur*innen der Integrationsarbeit mit soziokulturellen Vereinen noch stärker zusammenzubringen, voneinander zu lernen und gemeinsam Ideen zu entwickeln. In verschiedenen Workshops gingen die Moderator*innen und Referent*innen auf die Bedürfnisse und Problemlagen der beteiligten Zielgruppen ein. Parallel dazu fand zur Kinderbetreuung ein ganztägiger Kinderzirkus statt, organisiert vom Domino e.V. aus Tharandt.
„Was wir eigentlich alle wollen, ist integriert zu sein“
Soziokultur beschreibt eine Kulturpraxis, die mittels der integrativen Kraft von Kunst und Kultur verschiedene Menschen erreichen will. Im Mittelpunkt steht nicht die Kunst um ihrer selbst willen, sondern stets der Mensch und die Gemeinschaft. Ihr Ansatz zielt auf die Selbstermächtigung der Menschen. Ihre Methode ist Kulturarbeit bzw. die kulturelle Bildung, die zum Mitgestalten anregt. Das Ziel ist die Stärkung eines demokratischen Gemeinwesens und die Verbundenheit der Bewohner*innen mit diesem.
Was es für solche Prozesse braucht, sind „engagierte Menschen, Keimzellen der Zivilgesellschaft sowie Räume und Anlässe – für ungezwungene Begegnung und Möglichkeiten der Teilhabe“, fordert Andrea Gaede, stellvertretende Geschäftsführerin und Grundsatzreferentin im Landesverband Soziokultur Sachsen. „Die alleinige Teilnahme an Arbeit, Bildung, Wohnung und Gesundheit führt nicht zwangsläufig zur aktiven und verbindenden Teilhabe an Gesellschaft. Was wir eigentlich alle wollen, ist integriert zu sein. Das betrifft nicht nur Geflüchtete, sondern, es ist Anspruch eines jeden Menschen, Teil von etwas Größerem zu sein, dazuzugehören.“
Dafür benötigt es unbedingt auch kommunalpolitischen Rückhalt, eine hauptamtliche Personalstruktur und eine sozialräumliche Verortung. Dankenswerterweise sprach Herr Opitz, Heidenauer Bürgermeister seit 2012, über die Möglichkeiten kommunaler Förderung und wie genau seine Stadt Bildung, soziale Inklusion oder die Bekämpfung von Armut und Diskriminierung finanziell und strukturell fördert.
Vereine zwischen Nachwuchsarbeit und Interkultureller Öffnung
In einem Workshop zu Fördermitteln und Fundraising wurden gute Projektplanung und stabile Finanzierungen thematisiert. Expertinnen vom Jugendring SOE und vom Kinder- und Jugendring Sachsen widmeten sich außerdem Herausforderungen und Strategien in der Nachwuchsgewinnung. Ergänzt wurde der Austausch durch Beiträge der Workshopleiterinnen zu den Themenbereichen Öffentlichkeitsarbeit und Ehrenamtsmanagement.
„Ankommen, Mitmachen und Zusammenhalt schaffen“ war das Thema beim Workshop des Zusammenleben e.V. aus Freital. Die Teilnehmer*innen lernten einen möglichen Entwicklungsweg einer Migrantenorganisation kennen und erfuhren mehr über die speziellen Herausforderungen für migrantisches Ehrenamt. Dieses soll in Zukunft zielführender organisiert und damit gleichzeitig empowert werden. Wie sich Vielfalt konkret gestalten lässt diskutierten die Besucher*innen des Workshops vom AWO Landesverband Sachsen. Dieser gab einen ersten Einblick in die Konzepte der interkulturellen Öffnung und Diversitätsorientierung sowie praktische Hilfestellungen, um Organisationen zukunftsfähig zu gestalten.
Ein Workshop des weltbewusst e.V. war geprägt von der Frage: Können wir die Erfahrungen, die wir mit dem Ankommen im neuen System seit 1990 gemacht haben, für die Integration Neuzugewanderter nutzen? Von den Workshopleiterinnen, die seit vielen Jahren biografiebasierte Dialogveranstaltungen in Ostdeutschland durchführen, lernten die Teilnehmer*innen die Formate Biografieworkshop und Lebendige Bibliothek kennen und erprobten sie praktisch. Zu guter Letzt gab es auch noch die Chance, das vielfältige Angebot der Freiwilligendienste, Möglichkeiten und Grenzen des Engagements kennenzulernen. Der Workshop der Paritätischen sollte Lust machen auf eine Möglichkeit, sich beruflich (neu) zu orientieren und Erfahrungen zu sammeln, um Zeit zu überbrücken, Sprachkenntnisse zu festigen und auszubauen, Kontakte zu knüpfen oder einfach um selbstständig zu werden.
„Miteinander“ in Zeiten von Corona
Nicht zu übersehen war der Umstand, dass sich in der Welt und eben auch in unserem Landkreis das Coronavirus ausgebreitet hat: Man erblickte Mund-Nasen-Bedeckungen in verschiedensten Formen und Farben, es wurde fleißig desinfiziert, das Essen versteckte sich hinter Plexiglasscheiben, nur jeder zweite Stuhl wurde besetzt und jede anwesende Person musste ihre Kontaktdaten samt Sitzplatz angeben.
Dass der Fachtag dennoch erfolgreich durchgeführt werden konnte, ist den engagierten Akteuren der Soziokultur in Königstein zu verdanken. Für die Workshops und Diskussionen verteilten sich alle Teilnehmer*innen auf Räumlichkeiten, die fußläufig und vor allem bei strahlendem Sonnenschein leicht zu erreichen waren. Dadurch hatte man die Chance, neben dem „Treff-Punkt“ der Touristinformation auch die Werkstatt 26 des weltbewusst e.V., das neue Kino des Königsteiner Lichtspiele e.V., den Offenen Treff B20 des Jugendring SOE e.V. sowie den Ratssaal im Rathaus kennenzulernen.
Theater als Mittel der Befreiung
Ein beispielhaftes Projekt für wirkliches Integrations-Empowerment war selbst am Fachtag beteiligt: Die Gruppe „Refugees and Friends – Freital“, welche zum Abschluss mit ihrem erst kürzlich in Berlin uraufgeführten „Freitalstück“ alle Zuschauer*innen zum Nachdenken brachte. Gerade Fluchterfahrungen oder die Thematisierung des Heimatverlustes lassen sich über die Künste ganz anders bearbeiten und transportieren – das Publikum kann die Erfahrungen und Erlebnisse nachfühlen und dadurch einen emotionalen Zugang entwickeln.
Die Spieler*innen in Königstein machten sich die Methode des Theaters der Unterdrückten zunutze. Dabei wurden Szenen aus dem realen Leben in Freital in Rhythmen, Tönen, Bildern, Texten und Schauspiel übertragen und in gesellschaftliche Kontexte von Unterdrückung und Ungleichheit eingebettet. Das ‚Publikum‘ wurde nach der Aufführung eingeladen, sich in den Kontext hineinzuversetzen und durch eigene Spielvorschläge gemeinsame, kollektive Ansätze für ‚Befreiung‘ bzw. ‚Dekonstruktion‘ von Herrschaftsstrukturen zu entwickeln.
Ergebnisse und Ausblick
Die Ergebnisse wurden von den Moderator*innen am Ende der Veranstaltung festgehalten und präsentiert. Es war schön zu sehen, wie viele konkrete Projekte und Angebote bereits existieren. Von zahlreichen Teilnehmer*innen wurde hervorgehoben, wie wertvoll solche Netzwerktreffen und Fachtage sind. Besonders wertvoll gestaltete sich die Organisation eines Fachtages zu Fragen der Inklusion und Integration im ländlichen Raum, welcher dann auch wirklich im ländlichen Raum durchgeführt wurde. Das Zusammenspiel von vielen Akteuren aus unterschiedlichen Bereichen der Soziokultur war ein gutes Beispiel für deren integratives Potential. Mit neuen Ideen und Impulsen fuhren am späten Samstagnachmittag alle Beteiligten wieder nach Hause.
Bei Interesse oder Fragen kontaktieren Sie bitte Herrn Lucas Paeth unter l.paeth@aktion-zivilcourage.de.
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