Mit der Frage, wie man Erinnerungskultur neu erlebbar machen kann, haben wir uns drei Tage lang im Rahmen der "Pitch Jam: Memory Culture with Games" beschäftigt. In einem interdisziplinären Team mit viel Kaffee, Schweiß und Kreativität wurde in drei Tagen ein digitales Spielekonzept zur Erinnerungskultur entwickelt und erfolgreich vor einer hochkarätigen Jury gepitcht.

Die Spielidee: Die Akte Birkental

Ilse Wehrmut, geboren 1909, muss sich entscheiden: schalte ich beim Radiohören den Reichssender ein oder reizt es mich viel mehr den verbotenen englischen Sender zu hören? Ihre Wahl wird den Spielverlauf entscheidend beeinflussen. 8 Jugendliche sollen das Spiel "Die Akte Birkental" gemeinsam spielen können und erhalten dabei pädagogische Begleitung.

 

So die Rahmenbedingungen des Spiels. In einer imaginären Kleinstadt im Deutschland der 30er und 40er Jahre schlüpfen sie in die Rollen der Bewohner*innen und müssen entlang von historischen Ereignissen Entscheidungen treffen, die Einfluss auf die Handlungsspielräume ihrer Mitspielenden haben. Es werden im Spielverlauf Widerstand, Mitläufertum sowie das Anreiz und Bestrafungssystem der NS Diktatur kritisch reflektiert. Dabei hört das Spiel mit Kriegsende nicht auf.

In einer zweiten Phase in den 60er Jahren springen die Spielenden in eine Gerichtsverhandlung und die Akte Birkental wird buchstäblich geöffnet. So kommt es, in Anlehnung an die Auschwitzprozesse, zu einer Gerichtsverhandlung, in der die "Täter"- ihr Verhalten im ersten Spielabschnitt darlegen  - unabhängig ob wahr oder gelogen. Demgegenüber stehen die "Widerständler und Opfer", die mit ihren Erlebnissen die Erinnerungen der "Täter" korrigieren.

Den Abschluss bildet ein geleitetes Gespräch durch eine didaktisch-geschulte Begleitperson. Die Spieler*innen sollen gemeinsam ihre Handlungen in Birkental reflektieren und  Bezüge zur aktuellen politischen oder erinnerungskulturellen Situation herstellen.

Der Wettbewerb

Als eins von sieben digitalen Spielen wurde dieser Vorschlag im Rahmen der Pitch Jam eingereicht. Keine 48 Stunden Zeit hatten die Teams für die Entwicklung ihrer Idee und der Erstellung eines Vorstellungsvideos. Eine interdisziplinäre Jury aus dem Bereich Erinnerungskultur, Spielentwicklung und Bildung hat zwei Vorschläge prämiert, die nun die Chance auf Verwirklichung bekommen. 

Das Team von "Die Akte Birkental" war zwar nicht unter den beiden Favoriten, nimmt aber trotzdem viel mit aus der intensiven Zusammenarbeit. "Der interdisziplinäre Ansatz der Stiftung Digitale Spielekultur war sehr bereichernd. Ich freue mich jetzt schon auf mein nächstes Projekt, bei dem ich die neuen Kontakte einbinden kann, um mit Jugendlichen Erinnerungskultur zeitgemäß zu beleben.", sagt Yvonne Bonfert von der Aktion Zivilcourage. 

Die Vordenker*innen

Die Akte Birkental ist ein Spielkonzept von Yvonne Bonfert (Aktion Zivilcourage e.V.), Jan Sabri Cetinkaya (MA-Student an der Universität zu Köln: Geschichte und Ur- und Frühgeschichte), Jan Heinemann (Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und digitale Spiele), Tobias Hermann (Game Design Student), John Kees  (Game Design Student), Paula Maria Röhmer (Game Design Studentin), David Witzgall (System Design Student).

Weitere Infos bei Yvonne Bonfert: y.bonfert@aktion-zivilcourage.de